Liebe Eltern, liebe SchülerInnen,
das Unterrichtsjahr ist gerade 3 Wochen alt und so viele und besorgte Diskussionen wie heuer habe ich in meinen vielen Unterrichtsjahren noch nie erlebt. Verständlich. Corona und v. a. der widersprüchliche Umgang mit Corona in unserer Gesellschaft erzeugen Unsicherheit, Fragen, Sorgen. Wir haben bislang ganz unterschiedliche Rückmeldungen bekommen: viel Lob, auch aus Expertenmund, über die Art und Weise, wie wir in Coronazeiten versuchen die Schule zu organisieren, wir haben aber auch viel Unsicherheit erlebt – von Seiten unserer Schülereltern.
Während die SchülerInnen sich – auch nach Aussage der SchülervertreterInnen im Schulrat - leichter an die neuen Gegebenheiten anzupassen scheinen, habe ich in den verschiedenen Sitzungen im September wenig Vertrauen von Seiten mancher Eltern in ihre Kinder wahrgenommen.
Das finde ich persönlich sehr schade
Unser Konzept beruht auf einem Lernprogramm, das natürlich der Notwendigkeit, die Pandemie einzudämmen, entspringt, ein Konzept, das die Gefahr von Hotspots und Ansteckungsherden in der Schule sehr ernst nimmt, das klare Vorgaben versucht, die für jeden verständlich sein und helfen sollten, eine Ausbreitung zu verhindern. Das planten wir nicht zuletzt auch aus Rücksicht und Respekt gegenüber den Schülern, Lehrpersonen, dem Personal an unserer Schule, die schwere Vorerkrankungen haben und im Moment auf diese Rücksicht unbedingt angewiesen sind – aber auch in Hinblick auf den Wunsch aller, nicht wieder wochenlang zu Haue eingesperrt zu sein.
Politik und Sanitätseinheit zeigen bisher sehr wechselvolle Konzepte im Umgang mit der Pandemie. Gerade auch die Tatsache, dass italienischsprachige und deutschsprachige Schulen die Coronaampel ganz anders sehen, führt zu berechtigten Fragen. Warum ist die Ampel an den italienischsprachigen Schulen grün, an den deutschsprachigen Schulen gelb?
Wollen wir Präsenzunterricht um jeden Preis? Müssen wir in Notzeiten darum konkurrieren, welche Schule mehr Klassenunterricht bietet? Oder wäre es nicht besser, gemeinsam zu versuchen, die Überfüllung der öffentlichen Verkehrsmittel zu vermeiden, die Überfüllung der Schulhöfe, in denen so mancher Schuldirektor in grüngeampelten Schulen händeringend durch Schülergruppen irrt und darum ersucht, dass die Regeln für Mund-Nasenschutz auch angewandt werden?
Die Wintermonate werden zeigen, wie wichtig oder vernachlässigbar unsere Vorsicht war. Trotzdem halte ich es für zentral unseren Schülerinnen zu zeigen, dass es auch in weniger guten Zeiten Möglichkeiten gibt gemeinsam zu reagieren und gemeinsam einen Ausweg zu suchen.
Uns als Schule ist es wichtig, ein klares Konzept zu haben – und nicht nur mit Verunsicherung zu punkten. Unser Konzept eines kombinierten Präsenz- und Fernunterrichts für Klasse 2 – 5 nimmt unsere SchülerInnen ernst – in ihrem Lernwillen, in ihrer Art und Weise, sich dem Lernen zu stellen, mit einem Lernbegriff, der nicht mehr darauf vertraut, dass im wechselnden Stundentakt gut gelernt wird, sondern die Möglichkeit nutzt, hier endlich höchst notwendige neue Wege zu gehen:
Lernen ist nicht nur ein Eintrichtern, Lernen ist primär etwas, was der Einzelne selbst für sich wollen muss – die Lehrpersonen helfen dabei, Informationen zu filtern, zu ordnen, Interessen zu wecken, zu erklären, Kritikfähigkeit zu schulen usf. – aber den SchülerInnen wird auch Zeit dazwischen gegeben, sich in Ruhe und v. a. eigenständig mit Inhalten und Methoden auseinander zu setzen. Das ist der grundlegende Hintergrund für unser heuriges Modell – ich bin überzeugt, dass etwas sehr, sehr Gutes dabei herauskommt. Zahlreiche Schülerinnen haben mir im Juni ein Feedback zugesandt, ein Beispiel möchte ich im Folgenden auszugsweise zitieren – um auch die Stimme der Schüler zu den damals schon diskutierten Unterrichtsmodellen einzubringen:
„Ich hatte noch nie eine so entspannte, zugleich aber auch lehrreiche Schulzeit! Das hatte mehrere Gründe. Zum einen fielen natürlich alle außerschulischen Aktivitäten weg und ich hatte generell mehr Zeit zur Verfügung, aber zum anderen war es in unserer Klasse so, dass wir keine Tests, mündliche Prüfungen oder Schularbeiten hatten, für die wir Stoff auswendig lernen mussten! (…)
Es hat bei mir, wie wahrscheinlich bei vielen, ein, zwei Wochen gebraucht, bis ich einen guten Rhythmus für die Schule zuhause gefunden hatte. Ich habe dann immer am Vormittag ein, bis drei Fächer, je nachdem, wie lange die Arbeitsaufträge waren, gemacht. So war ich bis Freitag oder Samstag meistens mit allem fertig und hatte sogar noch einen ganzen Tag frei. (…)
Meine Erwartungen für das nächste Schuljahr: (…)
Ich bin kein großer Fan der Idee, nächstes Jahr den Unterricht so zu gestalten, dass ein Teil der Klasse zuhause sitzt und den Unterricht über den Computer mitverfolgt.
Der Lehrer könnte sich doch niemals auf die Schüler in der Klasse und die auf dem Computer zugleich konzentrieren! Er wird dauernd vor dem Bildschirm sitzen müssen, um die Übersicht zu behalten, da können doch auch gleich alle zuhause bleiben! Und die Schüler zuhause, die sitzen dann sechs bis neun Stunden vor dem Computer. (…) Ich fände es besser, wenn man anders vorgehen würde: Man teilt die Klasse in zwei Hälften und eine Hälfte ist zuhause, eine in der Klasse. Soweit ist es nichts Neues. Aber anstatt, dass die, die zuhause sind, den Unterricht in der Klasse mitverfolgen, würde ich Folgendes machen: Zuhause erarbeitet man sich den Stoff selber, anhand von Texten, Lernvideos usw. Jede Woche wird getauscht, so ist man eine Woche daheim, macht die Arbeitsaufträge und dann eine Woche in der Schule, wo man mit den Lehrern darüber reden kann. (…)“
Also: Nicht nur Videolektionen im Fernunterricht, sondern gut geplante Aufgabenpakete – mit gut eingerichteten Kontaktmöglichkeiten zwischen Lehrpersonen und Schülern und so kleinteilig gedacht, dass der Lehrercoach sofort und unmittelbar auf Unstimmigkeiten reagieren kann. Und falls es doch Schwierigkeiten in der Lernorganisation geben sollte: Integrationslehrpersonen, 2 Lehrpersonen für das Lerncoaching (die Stunden wurden heuer verdoppelt), 6 Lehrpersonen für das Care Team begleiten und helfen gerne zusätzlich.
Was im Moment von Anderen vielfach als „Idealmodell“ hingeworfen wird, ist kein didaktisches Modell, sondern eine reine organisatorische Vorgangsweise. Wir werden sehen, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Hoffen wir, dass uns das Virus nicht zu sehr zu schaffen macht!
Jede Veränderung trägt immer auch etwas Positives in sich: Glauben Sie mit mir an diesen Neuanfang – vertrauen Sie Ihren Kindern, die alt genug sind, endlich auch schulische Selbständigkeit zu beweisen, und haben Sie bitte auch ein bisschen Vertrauen zu uns: Wir haben in den letzten Jahren oft genug bewiesen, wie wichtig uns unsere didaktische und methodische Arbeit ist – es wird auch diesmal wieder gelingen, dass unsere SchülerInnen sich wunderbar entwickeln und zu selbstständigen und auf das Leben gut vorbereiteten Erwachsenen werden.
Dir. Martina Adami